Wer in einer freien, pluralistischen und friedlichen Gesellschaft leben möchte, ist in Deutschland mittlerweile falsch: Das sieht auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán so. Viele Deutsche kehren ihrer Heimat den Rücken und wandern aus – einige von ihnen nach Ungarn. In einem Interview mit der Budapester Zeitung vom 27. Oktober stellte Orbán fest, dass er diese Entwicklung durchaus sehr begrüße: Westeuropäer, die sich mit der ungarischen Denkweise identifizieren, seien herzlich willkommen und würden mit offenen Armen empfangen.
Im Interview verdeutlichte Viktor Orbán, dass ihm – trotz aller politischen Differenzen – viel an einer guten Zusammenarbeit zwischen seinem Land und Deutschland gelegen ist. Die Diplomatie zwischen den Völkern selbst funktioniere gut: Deutsche seien in Ungarn nach wie vor sehr angesehen und Ungarn sei eines der wenigen mitteleuropäischen Länder, in dem gegenüber Deutschen positive Gefühle vorherrschen. Die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen dagegen gestaltet sich bekanntermaßen deutlich schwieriger. Orbán macht keinen Hehl daraus, dass sein Land sich auch weiterhin gegen Einflussnahme von außen wehren wird und deutsche Linke nicht in der Position sind, den Ungarn vorzuschreiben, wie sie zu denken und zu leben haben.
Angesprochen auf die zunehmende politische Gewalt gegen Andersdenkende in Deutschland, gab Orbán an, über diese Entwicklung im Bilde zu sein. Was Ungarn vielfach vorgeworfen wird, ist in Deutschland auch nach Ansicht des Interviewers längst Realität. Er hakte daher nach, ob Ungarn bei Diffamierungen von deutscher Seite nicht einmal zurückschlagen und die unangenehmen Fakten auf den Tisch bringen wolle. Ministerpräsident Orbán gab sich daraufhin sehr diplomatisch, stellte aber auch fest, dass die Lebenswelten in seinem Land und Deutschland sich erheblich unterscheiden:
Ich respektiere Deutschland. Deswegen halte ich mich hier mit Kritik zurück. Ich möchte zu diesem Punkt nur so viel sagen: Im Vergleich zu Deutschland ist Ungarn inzwischen eine Insel des Friedens und der Freiheit. In Deutschland herrscht mittlerweile eine liberale Hegemonie. In der Öffentlichkeit hat nur ein einziges Narrativ Raum. Wer davon abweicht, der existiert für diese Öffentlichkeit nicht mehr.
In Ungarn haben wir hingegen im öffentlichen Dialog eine pluralistische Struktur. Es gibt Liberale und Konservative. Mittels der Medien sind sie im öffentlichen Diskurs nahezu paritätisch vertreten. Die ungarische Gesellschaft ist wesentlich pluralistischer, freier und friedlicher als die deutsche.
Was die physische Gewalt gegenüber Andersdenkenden betrifft: Wir haben in Ungarn schlechte Erinnerungen an die Zeit des Kommunismus. Wir haben gelernt, dass die Politik friedlich bleiben und der Einsatz von Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung unbedingt vermieden werden muss.
„Western Refugees Welcome“
Im Folgenden stellte Interviewer Jan Mainka fest, dass in Anbetracht von zunehmenden Repressionen gegenüber Andersdenkenden und nicht zuletzt der Erosion der inneren Sicherheit in Deutschland, viele Deutsche ihre Heimat verlassen. Eine wachsende Zahl von ihnen ziehe es nach Ungarn. Er fragte Orbán, ob ihm diese Entwicklung Sorgen bereite. Das verneinte dieser deutlich:
Ganz im Gegenteil! Wir wissen von dieser Entwicklung und ermutigen Deutsche und andere Westeuropäer, zu uns zu kommen. In den kommenden 10 bis 20 Jahren werden immer mehr Westeuropäer zu uns kommen, die lieber bei uns wohnen, weil Ungarn ein sicheres, christliches und traditionsbewusstes Land ist. Das halten wir nicht für schlecht, sondern für ausgesprochen gut und begrüßenswert. Die Westeuropäer, die frei und in einem anderen Milieu leben wollen, als bei ihnen zuhause, sollen ruhig weiter zu uns ziehen. Wir empfangen sie hier mit offenen Armen. Ungarn ist ein Land, in dem viel mehr Menschen leben könnten, als momentan hier leben. Wir freuen uns, wenn Ausländer, denen unsere Denkweise sympathisch ist, zu uns kommen.
In Ungarn werde es keine Parallelgesellschaften geben: Man finde bei Einwanderern aus dem Westen immer eine Basis für ein gemeinsames Leben. „Bürger, die uns und unseren Traditionen mit Respekt begegnen, sehen wir in Ungarn auch weiterhin gerne“, konstatierte er und bejahte, dass „refugees“ in Ungarn sehr wohl willkommen seien – wenn sie aus dem Westen stammen.
Das vollständige lesenswerte Interview mit Viktor Orbán finden Sie hier bzw. nachfolgende verlinkt als Video: